P ART: How to Kunst und Kultur

P ART: How to Kunst und Kultur

August. Hochsommer in der Boppstraße. Der Schweiß tropft von der Stirn, ohne dass wir uns auch nur bewegen. Die Wüste lebt – dank des Versiegelungswahns der Stadt sind wir jetzt im 2024er Remake des Disney-Klassikers gefangen. Da hilft nur ein kühles Pils im Nirgendwo. Kevin dreht uns eine Sportzigarette, ich öffne die PART-Map und plane die Route für den heutigen Gallery Crawl. Das geht ganz easy, denn für jede Location gibt’s auf der interaktiven Karte die wichtigsten Infos zur jeweiligen Ausstellung auf einen Blick. Alles schaffen wir heute nicht, aber die Spots in der Neustadt nehmen wir mit. Zum Abschluss geht’s über den Schillerplatz in die Altstadt. 

Im Institut Français treffen wir auf Sophie Lorenz samt Entourage – die PART-Vorsitzende klärt uns über die Intention der ausstellenden Künstlerin auf und bringt so etwas Licht ins Dunkle. Btw: Mit dem Zugang zu Kunst ist es wohl wie mit dem Antrinken eines Weinverständnisses. Beides kann auch ohne Vorwissen Freude bereiten; den größeren Gewinn hat jedoch der Vinophile oder auch der Museumsbesucher, wenn er das Erlebnis in einen Kontext einordnen und Vergleiche anstellen kann. Cheers!

Aber gerade das stellt ja bereits für viele eine gewisse Hürde dar, weiß auch Sophie: „Es gibt durchaus viele Bereiche innerhalb der Kunstszene, die elitär oder zumindest nicht so zugänglich sind. Das betrifft verschiedene Punkte, wie Kosten der Veranstaltungen, Einladungen, welche Themen überhaupt angesprochen werden, welches Vokabular genutzt wird etc. Viele Museen haben wenigstens einen kostenfreien Eintritt pro Monat; die Galerien in Mainz kosten ja zu ihren regulären Öffnungszeiten auch nichts. Aber die Einladungen zu besonderen Veranstaltungen erhalten in den meisten Fällen trotzdem nur ein kleiner Kreis an Menschen. Bei uns ist jeder eingeladen, zu kommen und auch in Austausch mit anderen zu treten. Außerdem ist es etwas ganz anderes, in die Ateliers reinschauen und mit den Künstler*innen ins Gespräch kommen zu können. Die Atmosphäre ist direkt viel lockerer und entspannter als bspw. bei einem Sektempfang einer Museumseröffnung. Man sieht auch mal Kunst und handwerkliche Dinge, die Themen ansprechen, die Museen oder andere Institutionen eher seltener zeigen. Ich glaube, es ist wichtig, Kunst und Kultur einfach weniger akademisch zu sehen – das würde vieles automatisch inklusiver gestalten.“

 

Und das gelingt der PART ziemlich gut. Zudem bringt das relativ junge Kollektiv frische Perspektiven und Innovationsgeist in die etablierte Kunstszene: „Wir sprechen, denke ich, ein viel breiteres Publikum an und erreichen andere Zielgruppen als die bereits bestehende Kunstszene in Mainz. Damit tragen wir dazu bei, dass sich zum einen die Wahrnehmung von Kunst in Mainz verändert und zum anderen, dass sich die ‚elitäre‘ Kunstwelt öffnet. Mit unseren Veranstaltungen, wie dem Gallery Crawl, versuchen wir Barrieren abzubauen und Kunst zugänglicher und spaßiger zu machen. Das Team kommt aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen, wodurch wir immer frische Perspektiven gewinnen können und gewisse Dinge anders machen, als man es normal tun würde. Ich denke, so können wir auch schon lange bestehenden Institutionen aufzeigen, was man verändern kann. Es hilft, nicht so viel und lange über Dinge zu diskutieren – manchmal muss man es eben einfach machen.“

Kevin und ich schlendern mittlerweile durch die Altstadt. Die PART ist an diesem Donnerstag übrigens angenehm crowdy, trotz des Auftaktes der großen Mainzer Weinfestspiele im Volkspark: Heute spielt die Kunstszene gegen einen Besuchermagnet auf Champions-League-Niveau. Schorle gibt’s aber auch bei der nächsten Venue – kunSTück e.V.: Das Künstler-Duo aus Mainz und Wiesbaden arbeitet mit verschiedenen Medien – von Sprühdose bis Video-Installation. Das ausstellungsübergreifende Thema ist die „Stadt im Wandel“. So präsentieren Yannik und Simon vom Studio Sys verschiedene interdisziplinäre Objekte und Installationen, die sie von abstrahierten Zeichnungen aus der Umgebung abgeleitet haben. Die Künstler erklären uns, dass sie durch ihre Arbeit die Umwelt ganz anders und intensiver wahrgenommen haben und hoffen, dass die Betrachterinnen und Betrachter das nachempfinden können.

Yes, sag ich da. Bei uns ging das jedenfalls komplett auf. Mit offenen Augen laufen wir zum traditionellen Get-Together – diesmal ab 22 Uhr im Off – und freuen uns auf gute Musik und noch mehr Input! Ich frage mich, wie wichtig die Förderung der Stadt für solche kulturellen Projekte ist? Ob Mainz wohl hinter seiner Kunstszene steht? „Die Unterstützung der Stadt ist schon sehr wichtig für uns. Unsere Projekte wären ohne den finanziellen Support schwieriger umzusetzen. Außerdem ist es gut zu wissen, dass das, was man macht, dort ebenfalls Anklang findet. Das erleichtert gewisse Dinge, gerade beim Thema Genehmigungen oder andere Anliegen. Kulturelle Projekte generieren selten ein großes Einkommen, wodurch die Unterstützung und Förderung, wie durch die Stadt, umso wichtiger ist. Mainz hat viele coole Initiativen und Vereine, die alle etwas für die Kulturszene leisten. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die alle so richtig wahrgenommen werden. Bei ‚Unterstützung‘ geht es auch nicht nur oder ausschließlich um finanzielle Förderungen, sondern auch darum, in bestimmten Prozessen mit einbezogen zu werden oder einen Ansprechpartner zu haben. Auch beim Thema Räumlichkeiten und Sachmittel kann die Stadt (mehr) behilflich sein. PART kann aber auch nicht für die ganze Mainzer Kunstszene sprechen, wie andere die Unterstützung durch die Stadt empfinden. Für uns war die Zusammenarbeit mit der Stadt bisher positiv und wir hoffen, das bleibt auch so.“

 

Das Off ist der perfekte Abschluss für den Abend. Zwischen Kunst, Performances und Kaltgetränken schließt sich der Kreis des Gallery Crawls. Wir resümieren: Die PART verbindet Kunst mit Design, Musik und Handwerk, kostenlos und ohne große Attitüde. Es fühlt sich an, als würde man durch den Pinselstrich der Stadt wandeln, als ob eine Skizze plötzlich zum Leben erwacht – roh, ungefiltert und voller Energie.  

Wie das aussieht? Seht ihr im Video am Ende dieses Artikels. Scrollt mal runter!

Tipp: Schließt euch der gemeinsamen Tour an. Mit etwas Glück ist auch Sophie dabei, die sich Folgendes für die Landeshauptstadt wünscht: „Die Zukunft der Mainzer Kunstszene ist hoffentlich noch bunter und vielfältiger als jetzt. Menschen, die richtig Bock auf etwas haben, sollten einfach anfangen, das umzusetzen. Das sieht man gut an den Musik-Kollektiven in Mainz, von denen es ja einige gibt und sich etliche neu gegründet haben. Schön wäre es, wenn wir alle einen festen Raum hätten, in dem wir noch coolere Projekte planen und realisieren können. Es gibt so viel Leerstand, mit dem unkommerzielle Vorhaben umgesetzt werden könnten – das würde die Stadt in vielerlei Hinsicht bereichern.“

Die nächste PART findet am Donnerstag, den 28.11.24, statt. Alle Infos zu den fünfzehn Standorten der teilnehmenden Galerien, Ateliers, Künstlerinnen und Künstlern findet ihr auf der Homepage. Um 18 Uhr geht’s los und ab 22 Uhr ist das Get-Together in der Dorett Bar geplant. Solltet ihr nicht verpassen. Kevin gibt auch ein paar Sexikaner aus – versprochen.

 

Blogartikel von

Philipp Bommersheim – seit 2008 in der Landeshauptstadt, Gastro-Kind mit einem Gespür für Trends und alles, was glänzt. Vom Radio zur Tastatur, jetzt Texter und Host beim Kaiser Talk – der Talkshow für Mainz. Immer auf Achse, immer up to date, immer dort, wo es etwas Neues zu entdecken gibt.

 

 

Credits: GFOS Production | Schnitt: Oliver Lang | Kamera: Yves
Otterbach & Oliver Lang